Hans Aichingers Werke (Malerei, Öl auf Leinwand) sind angefüllt mit Konzentration: einmal die, die er beim Malen der hochgradig genau wiedergegebenen Figuren anwendet und noch mehr in der gedanklichen Spannung, die die Figuren selbst in ihrem Innehalten fühlen lassen. Diese Konzentration lässt ihren Gegenstand nicht erkennen, er liegt außerhalb des Bildrahmens, ohne Verweis, im Offenen. Aichinger schafft damit ein Gleichgewicht aus Figuration und Abstraktion und balanciert die Lesbarkeit der Bilder zwischen möglich und unmöglich.
Die Figuren sind Rollenspieler auf minimalistischer Bühne, keine Porträts, es sind überwiegend Solisten ohne konkrete Gegenspieler – doch mit Gegen-Ständen, oder Wider-Ständen befasst: einem Holzstab, ausgestopften Tieren, Kieselsteinen, Spielzeugen oder, noch reduzierter, mit einer körperlichen Geste – als Ausdruck der inneren Komprimierung. Und es sind überwiegend Adoleszente, noch auf dem Weg zur Akzeptanz der eigenen Erscheinung, mit naiver Selbstgewissheit und offen für irgendein Nächstes. Auch Hintergrund und Raum sind seltsam unbestimmt und sprachlos. Auf Mittelformat sind die Figuren fast lebensgroß, fast auf Augenhöhe mit dem Betrachter.
Die Ambivalenz von Werktiteln wie »Abnehmendes Licht« oder »Unruhe« hat eine konkrete und eine unbestimmte Seite, hier beginnen die Werke ihre eigenwillige Abstraktion zu behaupten. Die Offenheit, das unabsehbare „Gestalt annehmen“ – der Protagonisten einerseits, aber vor allem des Bildgehalts – ist gegenständlich und abstrakt zugleich. Unterstützt wird dieser Verdacht in Aichingers Detailgenauigkeit, die über jeden Realismus hinausgeht und die die Form beginnt aufzulösen.
Diese detailversessenen, nahezu mikroskopisch verfremdenden Elemente haben keine vordergründige Bedeutung, dirigieren jedoch die Wahrnehmung. So kommt auf Umwegen die Abstraktion ins Werk. Seiner Neigung zum ungegenständlich ideellen Bild kommt Aichinger erstaunlich nah – wenn auch aus unerwarteter Richtung.
Hans Aichinger (geb. 1959 in Leipzig) studierte von 1982-1986 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig Malerei bei Prof. Bernhard Heisig. Nach seiner Studienzeit begann er an der Hochschule eine Lehrtätigkeit von1992-1997. Einprägsam in Aichingers Werk sind die konzentrierten, von vagem Bühnenlicht akzentuierten Figurenarrangements. Sie sind umgeben von unbestimmter Räumlichkeit, die mit den Mitteln einer erfahren eingesetzten Lasurmalerei eine abstrakte Distanz erzeugt. Hans Aichinger lebt und arbeitet in Leipzig und hat sein Atelier seit 1994 auf dem Gelände der alten Baumwollspinnerei in Leipzig-Plagwitz.