Thomas Taube zeigt in seiner ersten Einzelausstellung bei REITER Berlin prospect in Film, Objekt, Text, Zeichnung und Sound eine Auswahl und Genese seines künstlerischen Werkes. Die Arbeiten sind souverän präsentiert, zugleich jedoch in den Räumen der Galerie zu einem multimedialen Ereignis verwoben. »The Trope’s Trap« – das ist die Tücke der Bedeutungsverschiebung, der Hinterhalt des Eigentlichen, die endlose Suche des Bildes nach Sinngehalt, Relevanz und Bezug.
Die erste Trope ist die Perspektive des Künstlers. Die nächsten hat niemand unter Kontrolle.
Im Idealfall ist das Interesse des Künstlers, hinter den Vorhang der Dinge zu schauen, auch das Interesse des Betrachters. Doch Taube will gar nichts vom Betrachter. Ihn interessiert im Spannungsfeld von Künstler, Werk und Publikum der Zwischenraum vom Werk zum Betrachter. Hier entsteht die Gegenrealität. Und hier zeichnet sich die Schnittmenge ab, die sich aus der subjektiven Realität des Betrachtenden und der vom Werk evozierten Gegenrealität ergibt. Auf diesen Moment zwischen Werk und Betrachter, den vielleicht intensivsten und produktivsten, den die Kunst zu bieten hat, zielen Taubes Werke. Und sie meinen nicht das Zuschauen als passiv defensive Anwesenheit sondern das Betrachten als Ausgesetzt-Sein einer bildhaften Erfahrung, die sich entrückt anfühlt, abwesend und verändernd.
Taube gelingt dieser Sog auch, indem seine Bilder nichts neu Geschaffenes, sondern de-formiertes, im besten Sinn re-formiertes Gut enthalten. Die Modifizierung des Vorhandenen eröffnet neue Kontexte zu vertrauten Dingen und Themen. Dort setzt der Bilderfluss ein, einer von unendlich vielen, täglich, gewohnheitsmäßig, und wir sind Teil dessen, sind der Motor dafür, weil das Denken von Bildern das Bewusstsein braucht.
Die gezeigten Werke verstehen sich einerseits als Werkquerschnitt, andererseits sind sie erfahrbar als Chronologie, die nachvollziehen lässt, wie sich aus einem filmischen Werk das nächste entwickelt, wie Taube die unbeantworteten Fragen weitertreibt, Motive neu entwickelt und Gedanken umformuliert.
In jedem einzelnen Raum der Galerie wird ein Werk zu sehen sein, als souveränes Kunstwerk, Objekte, Zeichnungen oder Filme in ein-, zwei- oder mehrkanaliger Präsentation. Gleichzeitig ist der Parallellauf aller Filme so kombiniert, dass es in verschiedenen Momenten signifikante Zusammenhänge gibt. Über die Filmarbeiten hinweg zeichnen sich verbindende Elemente ab, die nur schwer erfahrbar sind, da die Wahrnehmung das kaum ermöglicht. Taube konstruiert hier einen komplexen Spiegel unserer Wahrnehmungsrealität: die latente Existenz von multiplen Bedeutungen, die nicht greifbar sind, trotz des Wissens, dass sie da sind – jedoch nahezu unerreichbar, und die sich gleichzeitig unendlich vervielfachen. Unmöglich, das zu erfassen.
In »Dark Matters« (2014) ist der atmosphärisch dichte Befund von Nacht als Zustand, als innere und äußere Schutz- und Gefahrenzone in Filmbilder übersetzt, in »Narration« (2016, 7-Kanal Film) bildet Taube narrative Strukturen ab, die Simultanität, Verschränkung und gegenläufige auditive und visuelle Codes nutzen, um den status quo der Kulturtechnik des Erzählens abzubilden.
»RSVP (Situations)« (Doppelprojektion, 2017) wiederum ist eine Bild gewordene Idee über das zeitliche Erzählen. New York, als Setting und Modus, und Protagonisten, die sich in ihren eigenen Zeitläuften bewegen, reflektieren die Schwierigkeit, die erzählte Zeit von der technischen und der erlebten Zeitwahrnehmung zu unterscheiden und einen Ausdruck für die Imagination von Zeit zu finden. Und in der jüngsten Arbeit »UNTITLED / RAW« sucht Taube nach Abbildern für den versiegenden Bilderfluss in einem Sterbeprozess, wenn die Zeit wegläuft und sich das Leben als Bilderfluss verlangsamt, ausdünnt und zum Stehen kommt. Ausblick auf das nächste Projekt geben die Vorarbeiten zu »Die Gefüge«. Auf die Frage nach dem Wesen der Bilder sucht Taube erste Antworten in ihrer Präsentation; Objekte auf einem Leuchttisch, in umgekehrter Lichteinwirkung von unten, werden zu Bildern und erzwingen einen Wechsel im Wahrnehmungsmodus.
Allen Arbeiten gemeinsam ist zum einen Taubes Interesse am Bild. Technik und Zubehör, die Gegenstände und andere inszenierend einwirkenden Mechanismen sind Vehikel zur Produktion von Bildern, die in seinem Verständnis immer zeitbasiert sind, zeitabhängig, und deshalb als bewegte Bilder aufgefasst sind.
Zum anderen ist es sein Leitmotiv; der Versuch, die Komplexität von Welt zu erzählen, ohne dabei ein konkret sachliches Thema zu benennen, für das sich Taubes Werke punktuell engagieren. Diese Form der Annäherung an den Zustand von Welt hat ihren Ursprung in der eigenen Unsicherheit. Taube zwingt sich, Formen zu suchen, mit denen sich Gleichzeitigkeit und Bedingtheit aller Existenz erfassen lässt.
In der Schau »The Trope’s Trap« wäre das vorstellbar in einem Liniengeflecht oder Fadengewirr, dass sich zwischen die Werke durch die Galerieräume spannt und ständig in Bewegung ist, sich unaufhaltsam weiter verdichtet und den Betrachter mit jedem eigenen Gedanken intensiver in Bezug setzt und verwebt.
Taube steht dabei nicht als Regisseur an der Seite, sondern als denkbare Figur mittendrin in dem Raum zwischen Werk und Betrachter, mit nichts mehr als seiner personalen Erzählperspektive, seinen Bildern und seinem wunderbaren Vermögen, sie erzählen zu lassen.
„Ich werde mich eines Tages einfach dem Glauben hingeben, Gedanken, Strukturen und Texturen zu erkennen und dann versuchen der Illusion zu folgen, sie von einander und von denjenigen, die sie betrachten unterscheiden zu können. Dann wird es möglich sein Verbindungen zwischen all diesen illustren Dingen zu sehen. Zu wissen, dass Alles flimmerte vor deinen und meinen Augen, die Formen und das Geformte“.