Legende und Fotografie – beide berichten von etwas Vergangenem, das eine Wahrheit enthält, die es wert ist zu erhalten und zu schützen.
Die Fotografie – das Abbild, das vor Stunden, Tagen, oder vor einem Jahrhundert entstanden ist, zeigt ein Ereignis und beglaubigt es als dagewesen. Doch zugleich spricht es dessen Vergangenheit aus. Den Bezug zwischen dem Einst und Jetzt, diesen zeitlichen Raum füllen Sehnsucht, Fantasie und Erinnerung.
Die Legende – als Narrativ gegen das Verschwinden, gegen den Verlust der Vorstellung, ist ebenso ohne Anspruch auf historische Wahrheit. Sie ist eine Aufzeichnung des Glaubens an Gewesenes. Im Kern erzählt die Legende von der Vergangenheit, ihrem Sinn und seiner Wirkung.
Weder das einstige Geschehen noch das einstmals abgebildete Objekt sind historisch belastbare Dokumente, aber der Sinn ihres Daseins und der Geist ihres So-Seins rechtfertigen unser Vertrauen in ihre Kraft. Legende und Fotografie sind Wächter von Sinn. Zu glauben, dass es so war, wie es berichtet oder wie es abgebildet wurde, ist ein Weg. Eine Gewissheit gibt es nicht, diese Bürgschaft fehlt.
Junghans Bilder zeigen stille Motive, gegenständlich und ausnahmslos auf Negativfilm fotografiert. Er inszeniert seine Motive – oszillierend zwischen Finden und Erfinden. Dabei spielen seine Arbeiten ganz gegenständlich mit ihrem Potenzial zur Legende und sein zentrales Thema leuchtet auf; nicht das Ereignis ist es, sondern das Sichtbarwerden des Verlustes.
Erstmals ist Junghans fotografisches Werk ergänzt um ein Objekt. Es ist als Solitär in einem separaten, angepassten Raum präsentiert; ein ca. zwei Meter hoher, siebenarmiger Leuchter. Für den biblischen Mose war die Menora eines der ihm mitgegebenen Heiligtümer auf der vierzigjährigen Wanderung der Israeliten, bis sie im Tempel in Jerusalem ihr Ziel erreichte.
Das Objekt aus Metall ist vergoldet mit 23,5 Karat Rosenobel-Doppelgold. Sieben aufgesetzte Lichter, die bei Annäherung grelles Blaulicht aussenden, signalisieren Schutz und Bedrohung zugleich. Der Auslöser dafür reagiert auf Distanzüberschreitung.
Junghans komplexe Allegorie verbindet die Dimensionen von Bewahren und Transformation, von Verehrung und Ausgrenzung in religiösem wie in säkularisiertem Kontext. Indem nicht nur der Betrachter auf das Werk sondern hier auch das Werk auf den Betrachter reagiert, stellt Junghans auch den passiven Objektstatus des Werkes zur Disposition.
Behutsam nähern sich die Werke der Schau aus verschiedenen Perspektiven dem Phänomen Legende. Die Motive halten mit unterschiedlichem Temperament am Sinn ihrer immanenten Wahrheiten fest.
Die sakrale, kulturelle oder sentimentale Verehrung des – so oder so – Überlieferten und die darin konservierte geistige Rettung des wahr und gut Geglaubten sind die eine Seite alles Legendären. Das Beobachten des allmählichen Zerfalls dieser Vorstellungen ist die natürliche Gegenbewegung dazu – und damit Ausdruck eines zeitgemäßen Reflexes.