Smartphones. Es sind dreizehn ausgewählte Ansichten des handlichen Apparates, der Tagesablauf, Straßenbild und Umgangsformen prägt, wie kein anderes Instrument. Es ist das Symbol der Verheißung der schönen neuen Welt grenzenloser Kontakte und das Versprechen eines Status: online! – verbunden mit aller Welt aber vor allem unabwendbar verschmolzen mit dem kleinen Teil in der Hand.
Ein Motiv, dreizehn Displays, alles Unikate und sehr groß. Das Handy zwischen Gebrauchsgegenstand und Kunstobjekt war Anlass für eine Ausstellung im Frankfurter Museum für angewandte Kunst 2015. „Hamster-Hipster-Handy. Im Bann des Mobiltelefons“ zeigte, wie uns das handliche Gerät dominiert, manipuliert und sozialisiert. Und wie es uns neue kulturelle Rituale beibringt - zwischen Anstand und Ignoranz, Technikeuphorie und Kulturpessimismus.
Steffen Junghans’ Ansatz geht einen Schritt weiter. Er reduziert und vertieft den Blick auf das Motiv. In seinen Bildern ist das Handy vor allem digitale Außenstelle unseres Bewusstseins. Als Flugschreiber des Alltäglichen steuert es unsere Emotionen, ordnet unsere Geschäfte, notiert unsere Gewohnheiten, spiegelt unser Gesicht in jeder Umgebung und speichert unsere Begehrlichkeiten. Und es ist selbst nachts oft erreichbarer als der oder die Liebste. Es ist Teil unserer Identität, mit einem Archiv, das wir nicht mehr überschauen. Rätselhaft in seiner Funktionsweise vertrauen wir dieser Black Box an, was der beste Freund kaum mehr erfährt. Es ist immer in der Nähe, dienstbereit und treuer Begleiter. Diese beinahe zwischenmenschliche Vertrautheit lässt im Verlust erst ihren Wert erkennen.
Um zu zeigen, wie sehr das Handy sich vermenschlicht hat, blickt Junghans voraus: Er tötet 26 Exemplare, nagelt sie auf goldenen Grund und ermöglicht so einen potenziellen Nachruf. Der Betrachter findet sich in einem Tribunal, in dem er umstellt ist von stummen Zeugen seiner Lebensspuren, von Mitwissern, Anklägern und ehemaligen Gefährten. Die Handy-Ahnengalerie zeigt viele verschiedene Gesichter.
Maßvoll bis an die Grenze zur Ironie getrieben erinnern die Motive vor prachtgoldenem Hintergrund an Ikonen, mystisch erhöhte Figuren, die in göttlichem Lichtglanz das grenzenlos Ewige erfahrbar machen. Gold, Symbol der Leben schaffenden und alles beherrschenden Sonne, erweckt metaphorisch den Glanz der Verehrung. Neben dieser poetischen Inszenierung findet Junghans für das Ende des Smartphones zugleich ein schmerzhaftes Bild mit immenser Wirkung. Der durch den Körper getriebene Nagel kann die Exekution bis zur pathetischen Frage von menschlicher Schuld und Vergebung steigern. Oder wurde es schlicht an den Nagel gehängt und verworfen? Oder ist es an die Wand gepinnt wie ein Erinnerungsfoto, ein kostbares, privates Andenken? In letzter Konsequenz wird der digitale Alleskönner analog fotografiert, archiviert und zum Fotodokument seiner Zeit.
Junghans’ bildnerische Kompetenz geht weit über das Motiv hinaus. Seine fotografische Handschrift in Bezug auf das Erzeugen von Wirkung, von ironisch bis erhaben, zeigt sich im einzelnen Werk wie in der Konzeption der gesamten Schau im Raum. Die kleine, private Meldeformel „Ich bin’s“ ruft das Motiv schließlich aus den seltsamen Gedanken zu dieser kleinen, menschlichen wie technischen Weltmacht zurück. Viel wäre noch zu sagen, lasst uns in Kontakt bleiben und telefonieren …