Mit »house of bone body of stone« zeigen wir Dan Stockholms erste Einzelausstellung in Leipzig.
Fasziniert von Orten und Architektur mit einer innewohnenden historischen Bedeutung und erzählerischen Spannung, praktiziert Dan Stockholm eine Art "kreative Archäologie", eine Methode, die Feldforschung, Recherche und Atelierpraxis einschließt. Seine jüngste Arbeit entwickelt sich aus dem, was er "performativen Prozess" nennt, ein Vorgang, der das entstandene Objekt in ein Behältnis verwandelt, das die Geschichte seiner eigenen Herstellung in sich trägt.
Stockholm nutzt die Skulptur im weiteren Sinne als Schnittstelle, Verbindung oder Passage, durch die Orte und Körper - über zeitliche wie räumliche Distanzen hinweg - in Beziehung zueinander gesetzt werden. Architektur ist ein wesentlicher Bezugspunkt in seinem Werk. Anhand von Architektur verhandelt Stockholm die konzeptuellen Themen von Gegenwart und Vergangenheit, Präsenz und Absenz, Flüchtigkeit und Dauer. Stockholms Verständnis von Skulptur als Medium der Speicherung und Übertragung, welches getrieben wird von seinem archäologischen Interesse, wird in seiner Arbeit »HOUSE« deutlich.
Der Entstehungsprozess für »HOUSE« begann im Jahr 2013 nur wenige Tage nach dem Tod seines Vaters. Über einen Zeitraum von drei Tagen betastete der Künstler das gesamte Äußere des Hauses des Vaters Zentimeter für Zentimeter. Der Prozess wurde Teil eines Rituals, Teil einer Performance. Er endete damit, dass Stockholm diesen Akt der Berührung in Objektform übersetzte indem er eine Reihe von negativen Gipsabdrücken seiner eigenen Hände herstellte. Die Abgüsse davon werden durch Metallstäbe fixiert, die schützender Halt und beklemmende Einengung zugleich sind. Die Stützen eines Baugerüstes dienen als Halterung für jene organischen Gipsskulpturen und verbinden Boden und Decke des Raumes miteinander.
»HOUSE« wird ergänzt durch den Film »Don't think about death«. Im Film sehen wir Kinder in Damaskus, die Brocken zerstörter Gebäude wie Kreide benutzen, um auf das Straßenpflaster zu zeichnen. »Don't think about death« ist eine gefilmte performative Interaktion in Zusammenarbeit mit der syrischen Künstlerin Nourhan Sondok. Stockholm und Sondok trafen sich auf Social Media und ihre Bildschirmkorrespondenz zwischen Kopenhagen und Damaskus führte schließlich zu einer Kollaboration. Trotz der Gefahren in Syrien hat Sondok für den Film Architekturfragmente aus ganz Damaskus gesammelt: von 4.000 Jahre alten Säulen bis hin zu jüngst errichteten Gebäuden, die im syrischen Konflikt zerstört wurden. Während wir den Bewohnern zusehen wie sie mit den Bruchstücken ihrer Stadt auf den Boden zeichnen, erleben wir die Verdichtung verschiedener zeitlicher Momente, die in Stockholms Werk so stark sind: eine weiche menschliche Hand, die grob gezeichnete Linie, ein Fragment einer Stadt und uns selbst, die Betrachter, fernab von Damaskus.
In Leipzig ist das Publikum eingeladen, eine interaktive, ortsspezifische Arbeit Stockholms zu betreten: »Level (Blue Mare, Königsblau)«. Zwischen zwei Glasscheiben eingeschlossen, befindet sich farbige Tinte, die ihre Form und Konzentration entsprechend der Neigung des Ausstellungsraumes und den individuellen Bewegungen des Besuchers beim Überqueren des Glases verändert. Auch hier ist die Idee der Berührung zentral, zudem ist ein Moment der Verunsicherung präsent, ähnlich jenem, das sich beim Betreten einer Eisfläche einstellt.
Die Ausstellung »house of bone body of stone« vereint erstmals ein breites Spektrum von Arbeiten Stockholms. Jede für sich kann als skulpturales Behältnis ihrer jeweiligen Geschichte betrachtet werden. Als Gefäß das eine kurzzeitige Präsenz aufbewahrt und als erstarrtes Zeugnis in die Gegenwart überführt, auch wenn es nur ein flüchtiger Augenblick ist, der sich auf diese Weise nachhaltig manifestiert.