Giullaume Lachapelles Objekte sind klein. Sie erinnern an Modelle, die den Kern einer Vision vorschlagen, an reduzierte Entwurfsansichten einer Versuchskonstruktion. Lachapelle arbeitet ähnlich einem Übersetzer. Er codiert Zustände und bietet sie als gegenständliches Substrat an. „In meiner Arbeit erschaffe ich aus vertrauten Motiven entwickelte Metaphern. Die hierbei verwendeten Elemente und Gegenstände werden in fantastischen Mikrouniversen neu angeordnet und dabei verwandelt: Sie verkörpern bestimmte Gemütszustände und enthüllen eine unterschwellige und beunruhigende Dimension des täglichen Lebens.“ Die reinweißen Objekte, entstanden in 3D-Druck, erscheinen zusätzlich wie Rohlinge. Der neue, für den Betrachter fremde, weiße Kunst-Stoff macht sie unnahbar und hinterlässt je nach Objekt einen sterilen, technischen Eindruck oder den einer sehr erhabenen Noblesse - schwankend zwischen Befremden und Anmut. Das erhöht ihre Potenz als Formel und stärkt ihr Vermögen als Archetype. Das stoffliche Repertoire von Lachapelles Bildersprache kommt industriellen daher. Baugerüste und Gebäudeteile wie Schächte, Balkone, Fassadenfragmente, funktionale Dinge wie Rollstühle, Urinale, Laternen, Türen, Fenster, Treppen, Regalwände und dergleichen verbinden sich zu einzigartigen Gebilden, die zugleich befremden und amüsieren. Dazu kommen Zitate klassizistischer Architektur wie solche aus dem Fundus futuristischer und Science-Fiction Klischees - durchaus kein poetisches Repertoire. Der Mensch ist in den Objekten latent als Hohlform enthalten, denn er ist Anlass, Thema und Absicht der Werke. Wie um die potenzielle Anwesenheit des Menschen punktuell zu testen, setzt ihn Lachapelle als Holzfigur an wenigen Stellen wieder ein. Mit dem Resultat; was ohne die Figur als Chiffre eines Seelenzustandes lesbar ist, wird mit der Figur zur Fallstudie (»Pipe dream«). Die Allegorien von ausweglosem Stillstand, Vergeblichkeit und Ohnmacht, die Lachapelle mit seinen klug entwickelten Bildmetaphern formulieren kann, erreichen zum Teil einen ähnlichen Eindruck alptraumhafter Ausweglosigkeit wie Franz Kafka in seinen Parabeln und eine vergleichbar starke surreale Bildlichkeit wie René Magritte oder Max Ernst. Mit den Mitteln des Surrealen, der absurden Kombination oder Fragmentierung bis zum witzigen Paradox lässt Lachapelle mehr entstehen als ein amüsantes Absurdistan; es ist ein differenziertes Arsenal seelischer Zustände.
Die jüngsten Werke Lachapelles bestehen aus Spiegeln. Keine Selbstbespiegelung oder Provokation des Betrachters - Lachapelle baut Spiegellabyrinthe, die durch Anordnung der Spiegelflächen zueinander unendliche Blickachsen und Korridore entstehen lassen. Raumelemente wie Säulen, Gewölbe, Lampen und Regale vermehren sich in den kleinen Objektkästen kaleidoskopartig und vermitteln die Illusion eines riesigen, labyrinthischen Gebäudes. Lange Tunnel und weite Kabinette sind endlos sichtbar - jedoch nicht existent! Lachapelle lässt hier endgültig und bewusst die Maßstäbe der traditionellen Objektkunst obsolet werden.
Guillaume LachapelleBio
1974 Born in Stoke, Québec 1994 DEC Fine Arts Cégep de Sherbrooke Guillaume Lachapelle lebt und arbeitet in Montreal, Kanada 1998 B.A. Visual arts an der Université du Québec à Montréal (UQAM)